Stefan Slupetzky hat sich auf die Gesten der Mauritier eingelassen und zeigt in seinen Geschichten in „Der Segatanz unter dem Flammenbaum“ in hintergründiger Manier, in welche Richtungen sie sich interpretieren lassen. Wir hatten die Gelegenheit zu einem Interview mit dem Autor, das wir gern mit Ihnen teilen und können ein Exemplar des Buches verlosen!

Stefan Slupetzky, 1962 in Wien geboren, studierte an der Wiener Kunstakademie und arbeitete als Musiker und Zeichenlehrer, bevor er sich dem Schreiben zuwandte. Slupetzky schrieb und illustrierte mehr als ein Dutzend Kinder- und Jugendbücher, für die er zahlreiche Preise erhielt. Mittlerweile widmet er sich aber vorwiegend der Literatur für Erwachsene und verfasst Bühnenstücke, Kurzgeschichten und Romane. Seit 2004 erscheinen sehr erfolgreich seine »Lemming«-Krimis, seit 2010 tritt Slupetzky mit dem Wienerlied-Trio Lepschi auf. 2005 bereiste er Mauritius und brachte uns von dort sein wunderbares Buch mit.

„Der Segatanz unter dem Flammenbaum“ – Interview mit Autor Stefan Slupetzky

Herr Slupetzky, weshalb ist das » Curry No. 2 « nicht jedermanns Sache?

Die einstigen Sklaven wurden von den Sklavenhaltern ganz bewusst aus verschiedenen afrikanischen Stämmen rekrutiert, um ihnen jegliche gemeinsame Kommunikationsgrundlage zu entziehen. So entstanden die Kreolsprachen, die sich – rein phonetisch – an der Sprache der jeweiligen Kolonialherren orientierten. In Mauritius gibt es zudem einen Zahlencode, der unter anderem dem Versuch der Sklaven zugeschrieben wird, eine neue „interne“ Geheimsprache zu entwickeln. „Mo bisen quarante“ (ich muss vierzig) heißt beispielsweise „Ich muss kacken“, weil die Zahl Vierzig für „Hinterteil“ und „Stuhlgang“ steht. Die Zahl Zwei bedeutet schlichtweg „Affe“; das sollte man wissen, ehe man sich eine Portion „Curry No. 2“ bestellt.

Lassen Sie uns mit dem Prolog beginnen – was war zu erst da, die Idee der Reise nach Mauritius oder die des Buches einer Reise nach Mauritius?

Definitiv die Lust darauf, die Insel kennen zu lernen. Der Gedanke, ein Buch darüber zu schreiben, kam erst während des Aufenthalts; ich habe meinen dort lebenden Freund – im Buch mit dem Alias „Jens Kleefers“ benannt – gefragt, ob er mich dabei unterstützen würde, und er hat – eben jene Namensänderung vorausgesetzt – zugestimmt. Das Buch sollte ja auch die Schattenseiten der Insel beleuchten, und als zugewanderter Mauritier wollte er von seinen Nachbarn nicht als Nestbeschmutzer identifiziert werden.

Mit welchen Vorstellungen sind Sie in den Flieger gestiegen? Wurden Ihre Erwartungen erfüllt? Enttäuscht?

Da mein Bruder schon vor mir in Mauritius gewesen war, wusste ich zumindest grob, was mich erwartete. Kein unberührtes Eiland aus dem Ferienkatalog, sondern ein unglaublich vielfältiges Menschen-, Kulturen- und Landschaftsgemisch.

Sie hatten das Glück, die Insel gemeinsam mit einem Insider, der schon lange dort lebt, entdecken zu können. Was spricht dafür, Mauritius als Backpacker zu erkunden? Und was vielleicht dagegen?

Mauritius hat sich dem Massentourismus bisher erfolgreich entzogen. Es gibt im Grunde nur zwei Möglichkeiten, es zu besuchen: Entweder man bucht einen Aufenthalt in einem der Luxusressorts, dann kann man zwar Golf spielen, am palmenbeschatteten Pool liegen und Cocktails schlürfen, vielleicht auch den einen oder anderen Gruppenausflug zu den (vorwiegend landschaftlichen) Sehenswürdigkeiten unternehmen, aber man wird die Insel weder in atmosphärischer noch in kulinarischer Hinsicht kennen lernen. Oder man bucht einen Flug und per Internet eine Privatunterkunft, dann wahrt man zumindest die Chance auf tiefere Einblicke. Problematisch dabei wird vor allem die Fortbewegung: der wirklich höllische mauritische Verkehr lässt einen leicht davor zurückschrecken, sich ein Auto zu mieten, und mit den öffentlichen Bussen gelangt man eben nicht an alle – teils sehr abgelegenen – Orte.

Sie beschreiben in Ihrem Buch ein wunderbar realistisches Bild von Mauritius, fernab der üblichen Postkartenklischees und gleichwohl paradiesisch. Was macht Mauritius für Sie zu einem besonderen Reiseziel?

Das Klima, die Menschen, die Landschaft, das Essen, der Rum.

Viele Seiten in Ihrem Buch geben einen Einblick in das multikulturelle Mauritius, einen Schmelztiegel verschiedener Kulturen, Religionen und Sprachen. Ist dieser „Melting Pot“ mehr Fluch oder Segen für Mauritius? Wie empfanden Sie das Miteinander auf der Insel?

Naturgemäß brodelt es überall da, wo unterschiedliche Kulturen und Religionen aufeinander treffen, besonders, wenn die meisten Menschen alles andere als wohlhabend sind. So vielfältig – und noch dazu auf derart engem Raum – wie in Mauritius existiert wohl kein anderes Völkergemisch auf der Welt. Mir scheint, dass dieser Umstand aber auch eine Art von stillem Einvernehmen mit seinen Mitbürgern hervorbringt: Man weiß, man sitzt auf einem Pulverfass und hütet sich davor, es anzuzünden. Es gab ja auch schon Unruhen auf der Insel, vorwiegend zwischen Moslems, Hindus und katholischen Kreolen, aber das liegt nun auch schon wieder 12 Jahre zurück, und die Leute scheinen daraus gelernt zu haben.

Portugiesen, Niederländer, Franzosen, Engländer – alle prägten mehr oder weniger stark die Entwicklung der Insel. Welche kulturellen Einflüsse aus Europa haben Sie am stärksten wahrgenommen?

Eindeutig den französischen. Die französische Lebensart und die französische Sprache sind für jeden mauritischen Bürger das Nonplusultra (glücklicherweise nicht das französische Essen). Trotzdem bleiben die Versuche, „französisch“ zu sein, in der Regel auf liebenswerte Weise unbeholfen. Die Engländer haben vorwiegend einen kulturellen Fußabdruck hinterlassen: den Linksverkehr.

Ihre Reise liegt bereits einige Jahre zurück. Wenn Sie sich heute erinnern, welche Orte und Begegnungen kommen Ihnen als erstes wieder in den Sinn?

Die Fahrten mit den vorsintflutlichen Bussen; ein ob seiner Küche anbetungswürdiges chinesisches Lokal in Port Louis, in dem man sich – wegen der geringen Deckenhöhe – nur gebückt fortbewegen konnte; der Straßenhändler schräg hinter dem Stadttheater, der „Dholl-Puris“ (eine wahre Götterspeise) verkaufte; das Grand Bassin im Hochland (das einzige heilige Gewässer der Hindus außerhalb Indiens) und so weiter und so fort.

Haben Sie zum Ende unseres Interviews noch eine Anekdote für uns, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Um ehrlich zu sein, mir fällt keine spezielle ein, die nicht auch schon im Buch beschrieben wäre. Ich habe in Mauritius grundsätzlich viel gelacht, zum Teil, weil das Lachen der Insulaner sehr ansteckend ist, zum Teil aber auch aufgrund skurriler Situationen und Beobachtungen. Beim Schnorcheln ist mir einmal einer der unglaublich facettenreichen und farbenprächtigen Fische begegnet, der so bizarr, so hässlich und zugleich sympathisch aussah, dass ich vor Lachen ein gehöriges Quantum indischen Ozean schlucken musste.

Was wünschen Sie Mauritius für die nächste Zeit?

Selbstbewusstsein und viel Resistenz gegen den westlichen Zeitgeist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Wer nun neugierig geworden ist und wissen möchte, wie man Bustüren mit der Bremse öffnen kann und wieso die Mango auf Mauritius zu den größten Feinden des Hundes zählt, dem und überhaupt allen Freunden der Reiseliteratur empfehlen wir die Lektüre des Buches. Denn das sind nur einige der Fragen, die der Autor auf seiner Reise quer durch das Land und seine Geschichte auf lustvolle Weise zu klären versucht.

Wir freuen uns sehr, dass wir ein Exemplar von „Der Segatanz unter dem Flammenbaum“ verlosen können! Sie brauchen dafür nur das Interview bis zum 31.03.2011 zu kommentieren und uns mitteilen, welcher Ort oder welche Begegnung Ihnen als erstes in den Sinn kommt, wenn Sie an Mauritius oder an eine andere Ihrer Reisen denken.