Nicht im Gelob­ten Land, son­dern auf der Insel Mau­ri­ti­us lan­de­ten 1940 nach wochen­lan­ger Irr­fahrt etwa 1600 Juden, die vor den Nazis flo­hen. Dort wur­den sie als Depor­tier­te in ein ehe­ma­li­ges Gefäng­nis ver­bracht. Im kom­men­den Jahr soll ein klei­nes jüdi­sches Muse­um an die Zeit der Depor­ta­ti­on erin­nern, berich­tet Ant­je All­rog­gen in die­ser außer­ge­wöhn­li­chen Geschich­te über Mauritius.

Aus der Höl­le über das Para­dies ins gelob­te Land
Auf Mau­ri­ti­us soll ein Muse­um an jüdi­sche Emi­gran­ten erinnern

Von Ant­je Allroggen

Am 26. Dezem­ber 1940 erreich­te die “Atlan­tic” Mau­ri­ti­us. Nach mehr als drei Mona­ten Fahrt hat­ten die jüdi­schen Flücht­lin­ge end­lich wie­der fes­ten Boden unter den Füßen, mehr als 10.000 Kilo­me­ter von ihrem eigent­li­chen Ziel Paläs­ti­na ent­fernt. Kaum waren sie in Port Lou­is, der Haupt­stadt der ehe­ma­li­gen Ile de France ange­langt, wur­den sie in das ehe­ma­li­ge Gefäng­nis in Beau Bas­sin gebracht. Fünf Jah­re soll­ten sie hin­ter dicken Gefäng­nis­mau­ern ver­brin­gen. 127 von ihnen star­ben in die­ser Zeit.
Gut 70 Jah­re nach der Inter­nie­rung der Juden auf Mau­ri­ti­us besucht Owen Grif­fith den jüdi­schen Fried­hof. Er öff­net ein schmie­de­ei­ser­nes Tor, das von einem gol­de­nen David­stern geziert wird. Über dem Ein­gang ein wei­ßes Schild mit den Wor­ten: “1940–1945: Bles­sed be the true judge” — “Gelobt sei der wah­re Richter”.

Das hier ist der Haupt­fried­hof der Gegend hier, er ist in unter­schied­li­che Berei­che auf­ge­teilt. Es gibt einen Hin­du-Fried­hof, einen für die Mos­lems, einen christ­li­chen und einen sehr klei­nen jüdi­schen Fried­hof, weil er sich in der Nähe zu Beau Bas­sin befand, wo die Men­schen hier inhaf­tiert wur­den und eini­ge von ihnen auch starben.”

Owen ist Aus­tra­li­er und trägt einen alten Leder­hut, der ihm Schat­ten vor der glei­ßen­den Mit­tags­son­ne spen­det. Seit eini­gen Jah­ren ist er Prä­si­dent der jüdi­schen Gemein­schaft der Insel, die sich den Namen Island Hebrew Con­gre­ga­ti­on gege­ben hat. Etwa 100 Juden leben heu­te auf Mau­ri­ti­us. In Cure­pi­pe, neben Port Lou­is die bedeu­tends­te Stadt auf der Insel, gibt es eine klei­ne Syn­ago­ge. Damit ist die jüdi­sche Gemein­de heu­te Teil des bun­ten Regen­bo­gens, aus dem sich die eth­nisch und reli­gi­ös gemisch­te Bevöl­ke­rung zusam­men­setzt, meint Chan Low, einer der weni­gen auch inter­na­tio­nal aner­kann­ten His­to­ri­ker von der Uni­ver­si­ty of Mauritius:

Es gibt ein durch­aus reges jüdi­sches Leben auf Mau­ri­ti­us, eine Syn­ago­ge. Also kann man nicht nur von den Depor­tier­ten von einst reden. Das zeigt, dass Mau­ri­ti­us ein Land ist, das vie­len Asyl gibt. Es gibt zum Bei­spiel auch eine rus­sisch-ortho­do­xe Kir­che hier.”

Auch wenn alle Juden in Beau Bas­sin 1945 Mau­ri­ti­us wie­der ver­lie­ßen, wirkt der Fried­hof heu­te noch sehr gepflegt. Im kom­men­den Jahr will die jüdi­sche Gemein­de auf Mau­ri­ti­us ein Muse­um eröff­nen, das die Geschich­te der Depor­tier­ten erzäh­len soll. Eine klei­ne unge­nutz­te katho­li­sche Kapel­le ist als Ort dafür vor­ge­se­hen. Schon seit Jah­ren sam­melt Owen Grif­fith Mate­ria­li­en, die aus den Jah­ren der jüdi­schen Haft erzählen:

Es ist eine trau­ri­ge, aber auch irgend­wie posi­ti­ve Geschich­te, weil sie die jüdi­sche Bevöl­ke­rung von Mau­ri­ti­us mit der von Isra­el ver­bin­det. Es soll ein Muse­um sein mit einem mau­ri­ti­schen Kon­text. Es soll kein Über­see-Muse­um wer­den, das von der Schoa erzählt. Son­dern ein Haus, das das Leben der jüdi­schen Inhaf­tier­ten, die es hier gab, doku­men­tiert. Wir haben zahl­rei­che Doku­men­te dazu. Und ich habe Brief­mar­ken, Berich­te, wir haben Ton­nen an Mate­ri­al, mit denen wir das Muse­um bestü­cken kön­nen. Der Fokus wird die mau­ri­tisch-jüdi­sche Ver­bin­dung sein.”

Finan­ziert wird das Muse­um von der jüdi­schen Gemein­de auf Mau­ri­ti­us und von süd­afri­ka­ni­schen jüdi­schen Insti­tu­tio­nen. Die Regie­rung von Mau­ri­ti­us will sich an dem Pro­jekt nicht betei­li­gen. Die jüdi­sche Bevöl­ke­rung macht eben doch nur einen ganz klei­nen Teil des bun­ten Regen­bo­gens auf der Insel aus.

Am 21. Febru­ar 1945 erhiel­ten die jüdi­schen Inhaf­tier­ten im Gefäng­nis von Beau Bas­sin die Nach­richt, dass sie in weni­gen Mona­ten end­lich nach Hau­se rei­sen dürf­ten. Sie waren frei. Die meis­ten Schiffs­rei­sen­den blie­ben in Paläs­ti­na, eini­ge ver­such­ten einen Neu­an­fang im Nach­kriegs­deutsch­land oder Öster­reich oder fan­den in den USA bezie­hungs­wei­se Aus­tra­li­en eine neue Hei­mat. Die meis­ten kehr­ten zumin­dest ein­mal in ihrem Leben nach Mau­ri­ti­us zurück.

Über die Autorin:

Ant­je All­roggen hat an den Uni­ver­sitäten Bonn und Nan­cy (Frankre­ich) Kun­st­geschichte, Philoso­phie und Kom­para­tis­tik stu­diert. Seit dem Jahr 2000 arbei­tet sie als Kul­tur– und Reise­jour­nal­istin für diver­se ARD-Hör­funk­an­stal­ten, vor allem für den Deutsch­land­funk. Jour­nal­is­tis­che Stipen­dien führ­ten sie unter ande­rem nach Marok­ko und an die Duke Uni­ver­sity in North Car­olina / USA. Mit ihrem Mann und ihren bei­den Töch­tern (zwei und acht Jah­re) lebt sie für ein Jahr in Grand Baie/ Mau­ri­tius. Vie­len Dank an Frau All­roggen und den Deutsch­land­funk, die uns erlau­ben, die großar­ti­gen Geschich­ten und Bei­träge für unse­re Leser zu veröffentlichen!