Mau­ri­ti­us hat mehr zu bie­ten als Son­ne, Strand und Meer: “Les enfants de Tro­u­m­a­ron” ist einer der weni­gen mau­ri­ti­schen Fil­me, die ohne Hil­fe aus dem Aus­land pro­du­ziert wur­den und es sogar zum inter­na­tio­na­len Film­fes­ti­val nach Mont­re­al schaff­te. Er zeigt das wah­re Gesicht des Urlaubs­pa­ra­die­ses. Wie Ant­je All­rog­gen zu berich­ten weiß.

Kino nicht nur unter Pal­men
Mau­ri­ti­us sucht nach einer eige­nen Film­kul­tur
Von Ant­je Allroggen

Les enfants de Tro­u­m­a­ron” ist ein scho­ckie­ren­der Film. Ein­ge­fan­gen von der grau­en Tris­tesse des All­tags erzählt er das trost­lo­se Leben vie­ler Jugend­li­cher, die in einem Vor­ort von Port Lou­is, der Haupt­stadt von Mau­ri­ti­us, auf­wach­sen. Eve, die weib­li­che Prot­ago­nis­tin des Films, pro­sti­tu­iert sich nach der Schu­le in den dunk­len Stra­ßen, um genug Geld anzu­spa­ren, das sie braucht, um Mau­ri­ti­us eines Tages den Rücken zu keh­ren. Der 17-jäh­ri­ge Sad schreibt Gedich­te von Arthur Rim­baud an sei­ne Zim­mer­wand, und Clé­lio sitzt auf dem Dach des Beton­blocks, in dem er wohnt und denkt Gitar­re spie­lend an sei­nen Bru­der Kar­lo. Der ist nach Frank­reich abge­hau­en, um dort ein bes­se­res Leben anzufangen.

Das Leben die­ser Jugend­li­chen ist aus­weg­los, ein­ge­fan­gen zwi­schen dem grau­en Beton der Cité. Nur ein­mal sind im Film der Strand und das Meer von Mau­ri­ti­us zu sehen. Dann schwenkt die Kame­ra wie­der in die Mise­re der Stadt.

Les enfants de Tro­u­m­a­ron” ist einer der weni­gen mau­ri­ti­schen Fil­me, die ohne Hil­fe aus dem Aus­land auf der Insel pro­du­ziert wur­den. Vor Kur­zem ist er auf dem inter­na­tio­na­len Film­fes­ti­val von Mont­re­al gezeigt wor­den und hat es sogar in die Kinos auf Mau­ri­ti­us geschafft.

Am Abend der Pre­mie­re war das Kino voll. Es war also durch­aus eine inter­es­san­te Initia­ti­ve. Und ich glau­be, da muss man jetzt wei­ter­ma­chen. Es ist wich­tig, sol­che Fil­me auf der Insel zu zei­gen”,

meint Gopa­len Chel­la­per­mal, ein jun­ger Fil­me­ma­cher aus Mau­ri­ti­us. Seit eini­ger Zeit betreibt er eine Ein-Mann-Pro­duk­ti­ons­fir­ma, die noch auf den gro­ßen Auf­trag aus dem In- oder Aus­land war­tet. Ein Ein­zel­kämp­fer, ein Autodidakt.

Mau­ri­ti­us — Mehr als Son­ne, Strand und Pal­men. (Andre­as Stopp) Auf Mau­ri­ti­us gibt es bis­her nur eine pro­fes­sio­nell arbei­ten­de Pro­duk­ti­ons­fir­ma. Neben Wer­be­fil­men, die noch immer ihr But­ter- und Brot­ge­schäft sind, hat Por­teur d´images seit eini­gen Jah­ren meh­re­re Kurz­fil­me gedreht. Einer davon ist “Bisan­vil” — auf Deutsch “Auto­bus”. Ein klei­ner Road­mo­vie, in kreo­li­scher Spra­che gedreht, der die Geschich­te einer Bus­fahrt erzählt — dem belieb­tes­ten Fort­be­we­gungs­mit­tel der meis­ten Mauritier.

Für “Bisan­vil” bekam David Con­stan­tin meh­re­re Prei­se, unter ande­rem den Publi­kums­preis auf dem inter­na­tio­na­len Fes­ti­val von Ami­ens. Dar­über hin­aus wur­de der 2005 pro­du­zier­te Film auch von der Euro­päi­schen Uni­on geför­dert. Con­stan­tin will sich aus die­ser finan­zi­el­len Abhän­gig­keit aller­dings mehr und mehr befrei­en. Denn För­der­mit­tel gibt es nur dann, wenn ein Kopro­du­zent aus Euro­pa an dem Pro­jekt betei­ligt wird. Eine eige­ne Film­kul­tur konn­te sich des­halb auf Mau­ri­ti­us nie her­aus­bil­den, sagt David Constantin.

Auf Mau­ri­ti­us haben wir immer sehr viel mit fran­zö­si­schen Tech­ni­kern gear­bei­tet, die hier her­ge­schickt wur­den. Man hat sozu­sa­gen fran­zö­si­sche Struk­tu­ren und Abhän­gig­kei­ten in einem auto­no­men Land geschaf­fen. Das hat zur Fol­ge, dass heu­te kein Know-how vor Ort, kei­ne qua­li­fi­zier­ten Tech­ni­ker ohne die­se frem­den Leu­te da sind. Das ist ein Pro­blem.

Des­halb wäre es David Con­stan­tins Traum, auf Mau­ri­ti­us eine eige­ne Film­schu­le zu grün­den. Ein zag­haf­ter Anfang könn­te das Kurz­film­fes­ti­val Ile Courts sein, das Con­stan­tin vor drei Jah­ren auf Mau­ri­ti­us gegrün­det hat – mit Unter­stüt­zung vom Insti­tut Francais.

Sein neu­es­tes Pro­jekt ist ein Spiel­film, der über das lang­sa­me Ster­ben der Zucker­rohr­in­dus­trie auf Mau­ri­ti­us erzählt. Ein Film, der bewusst mit dem Para­dies-Kli­schee der Insel bricht. Gedreht wird mit Unter­stüt­zung afri­ka­ni­scher Part­ner aus Mosam­bik und Mada­gas­kar. Kopro­duk­tio­nen mit afri­ka­ni­schen Nach­bar­län­dern soll es in Zukunft öfter geben. Und seit Kur­zem bekommt das Pro­jekt nun doch För­der­gel­der von der EU.

Der Film, der sei­ne Schau­spie­ler aus­schließ­lich auf Mau­ri­ti­us cas­tet, hel­fe dabei, auf der Insel eine unab­hän­gi­ge Film­wirt­schaft auf­zu­bau­en, heißt es zur Begrün­dung. Des­halb kom­men die Gel­der die­ses Mal nicht mehr aus dem För­der­topf der Kul­tur, son­dern der Entwicklungshilfezusammenarbeit.

Über die Autorin:

Ant­je All­roggen hat an den Uni­ver­sitäten Bonn und Nan­cy (Frankre­ich) Kun­st­geschichte, Philoso­phie und Kom­para­tis­tik stu­diert. Seit dem Jahr 2000 arbei­tet sie als Kul­tur– und Reise­jour­nal­istin für diver­se ARD-Hör­funk­an­stal­ten, vor allem für den Deutsch­land­funk. Jour­nal­is­tis­che Stipen­dien führ­ten sie unter ande­rem nach Marok­ko und an die Duke Uni­ver­sity in North Car­olina / USA. Mit ihrem Mann und ihren bei­den Töch­tern (zwei und acht Jah­re) lebt sie für ein Jahr in Grand Baie/ Mau­ri­tius. Vie­len Dank an Frau All­roggen und den Deutsch­land­funk, die uns erlau­ben, die großar­ti­gen Geschich­ten und Bei­träge für unse­re Leser zu veröffentlichen!