„Kulturell sind sie ein Mix aus Europa, Afrika und Asien, landschaftlich aus Paradies und Traumwelt: Seychellen, Mauritius, Réunion und Rodrigues“ – so die treffende Einschätzung von Uta Goridis.

Die Autorin, geb. 1952, lebt in Berlin als Übersetzerin und Journalistin. Dank eines Fulbright-Stipendiums konnte sie sich ein paar Jahre in New York über Wasser halten. Die kalten New Yorker Winter verkürzte sie sich in der Karibik, wo sie durch die Romane des martinikanischen Autors Raphael Confiant die kreolische Kultur kennenlernte. Später übersetzte sie ihn dann und erkundete wie die Freibeuter zuerst die Karibik und dann den Indischen Ozean. Kreolische Kultur weltweit! Gehen Sie mit ihr auf eine wundervolle Reise durch Kreolistan.

„2000 Kilometer durch Kreolistan“ von Uta Goridis

Auf Mahé, der Hauptinsel der Seychellen, findet jedes Jahr Ende Oktober das Festival Kreol statt. Dann tanzen auf der Veranda des Restaurants „Vye Marmit“ nahe der Hauptstadt Victoria Bobby von der Insel Rodriguez mit der Seychelloise Gwendolyn, Ti Jean von Réunion mit der auf Mauritius lebenden Josette. Was sie aus mehreren tausend Kilometer Entfernung zusammenführt und an diesem Tag als große Familie eint, ist ihre kreolische Sprache, die wie die Musik und das Essen ein Mix aus europäischen, afrikanischen und asiatischen Einflüssen ist. Die kulturellen Ähnlichkeiten zwischen den Seychellen, Mauritius, Réunion und der abgelegensten kreolischen Insel im Indischen Ozean, Rodrigues, sind so groß, dass eine Reihung der Inselparadiese von „unübertroffen traumhaft schön“ bis „immer noch wunderschön“ schwer fällt. Zumal es überall puderzuckerweiße Strände, bunt schillernde Lagunen und edle Resorts gibt.

Mit dem kleinen Unterschied vielleicht, dass man sich auf den Seychellen gleich eine ganze Insel mit Butler und Chefkoch mieten kann. 115 kleinste und winzigste Inseln garantieren höchstmögliche Anonymität für die 130 000 Gäste jährlich.

Einmalig ist beispielsweise das Urlaubsparadies, das der deutsche Industrielle Otto Hampel auf dem Eiland Fregate errichtet hat. Für zirka 2300 Euro pro Nacht kann man auf dieser zwanzig Flugminuten von Mahé entfernten Insel eine von sechzehn Villen mieten und die Garantie dazu, dass kein Paparazzo auf den Palmen sitzt. Edelhölzer, Marmor, Reet, Glas, Seide, afrobalinesisches Interieur, Freiluftduschen, Kuschelecken im Tropengarten und dazu Natur wie im Werbespot: Der Ozean türkis und smaragdgrün bis aquamarinblau. Der Sand blendend weiß wie Firn. Dahinter eine Galerie von Takamaka-Bäumen und windzerzausten Kokospalmen. Im Wasser Myriaden von silbernen Fischen, zwischen denen eine Schildkröte gründelt. Und über der Bucht, die von grauen Granitfelsen gerahmt wird, segelt ein Flughund …

Natur pur – der Werbespruch meint es wirklich ernst: 49 Prozent der Landesfläche stehen unter Naturschutz, es gibt acht Nationalparks und vier Reservate – das ist Weltrekord.

Berühmt unter Naturfreunden ist die Nachbarinsel von Mahé, Praslin. Nicht nur, dass hier die letzten vierzig schwarzen Papageien leben und die seltenen Coco-de-Mer-Palmen wachsen, die erotische Phantasien beflügeln, denn ihre Frucht ähnelt einem üppigen Frauenbecken, die männlichen Blütenstände sind phallisch geformt. Auf der Nordseite von Praslin befindet sich auch Anse Lazio, der schönste aller Traumstrände, der nicht bebaut werden darf. Sein Sand ist deshalb so weich und weiß, weil die Kakatoi-Fische seit Jahrtausenden die Korallenskelette zu Pulver zermahlen. Hätte sich auf den Seychellen, die seit 1976 unabhängig sind, noch ein wenig mehr von der französischen Lebensweise erhalten, Gott wäre wohl längst ein Insulaner.

Womit wir bei Réunion sind, der französischsten unter allen Kreoleninseln, die im Schoß der ehemaligen Kolonialmacht verblieben ist. Vom Champagner bis zum Camembert findet man hier alles, was das Mutterland an kulinarischen Genüssen zu bieten hat. Außerdem liefert die Insel die Rohstoffe für zwei französische Produkte par excellence: ätherische Öle für berühmte Parfüm- und Bourbon-Vanille für Dessert-Kreationen. So gesehen ginge es hier Gott – um im Bild zu bleiben – nicht schlecht. Wenn nur die Hotellerie noch etwas hochklassiger wäre. Zu den lediglich zwei Viersternehotels auf Réunion gehört das „Les Villas du Lagon“, wo französisches Savoir-vivre intensiv gepflegt wird. Während sich die anderen Häuser eher an den rustikalen Bedürfnissen von Sportlern orientieren. Ob Klettern, Reiten, Segelfliegen, Bungespringen, Montain-Biking und Canyoning – Heißsporne aller Couleur können sich in dieser wildromantischen Landschaft aus kilometertiefen Urwaldschluchten und kilometerhohen Vulkanen ihre Kicks holen. Allein für Wanderer stehen gut ausgeschilderte Wege von insgesamt tausend Kilometern zur Verfügung. Übernachten kann man in den urigen Gites de Montagne (Berghütten), die gewöhnlich auch ein deftiges kreolisches Essen und Rumpunsch servieren.

„Ein Garten Eden“, riefen die ersten Franzosen, die vor 350 Jahren an Land gingen. Auf der damals unbewohnten Insel gab es keine Fliegen und keine Stechmücken, keine Ratten, Giftschlangen, Raubtiere, dafür Wasser, Früchte und Wild im Überfluss. Im abgelegenen Talkessel von Mafate ist das Paradies zumindest optisch noch in Ordnung; keine Straße führt in die Wildnis. Ganz anders die urbanisierte Küste, an der sich ein vierspuriger Highway entlangwindet und nur an wenigen Stellen Ruhe zum Träumen lässt.

Wer auf klassischen Strandurlaub aus ist, sollte deshalb auf Mauritius ausweichen, ein 1800 Quadratkilometer großes Eiland, 200 Kilometer östlich von Réunion. Anders als die Seychellen bietet die Insel neben Luxusherbergen auch eine Reihe einfacher Familienpensionen. Vom Massentourismus ist Mauritius dennoch weit entfernt. Im Gegenteil: Wer hier Urlaub macht, schätzt den hohen Lebensstil, die gute Küche und den perfekten Service solch exklusiver Hotels wie „Royal Palm“ im Norden der Insel, „Belle Mare Plage“ mit seinen zwei 18-Loch-Championchip-Parcours, „Le Prince Maurice“, das architektonisch vielleicht gelungenste Hotel der Insel, sowie die Noblesse im gerade renovierten Grandhotels „Saint Géran“, wo Alain Ducasse sein erstes Restaurant außerhalb Frankreichs eröffnet hat. Das Konzept, Europäisches mit Asiatischem zu verbinden, ist nirgends authentischer als auf Mauritius, der Insel der vielen Kulturen und Küchen – und des Luxus, der hier Tradition hat. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie gut man schon im 19. Jahrhundert auf Mauritius leben konnte, sollte man das Herrenhaus Eureka mit seinen 109 Türen, seinen Palisander-Möbeln und seinem wunderschönen Park besichtigen. Die richtige Kulisse für Dandys, wie den Pariser Poeten Charles Baudelaire, der den schwarzen Augen der Kreolinnen ein schmachtendes Gedicht widmete. Zu den häufig gesichteten Prominenten unserer Tage gehören Boris Becker, Isabelle Adjani, Prinzessin Stephanie von Monaco, Jacques Chirac und Silvio Berlusconi, die allerdings nur selten ihre Hotelanlagen verlassen. Es sei denn, sie machen einen Ausflug zum Underwater-Walk, eine mauritianische Spezialität: Man spaziert dabei auf dem Meeresboden herum, mit 30 Kilo Bleigewichten am Körper und einer höllisch schweren Glasglocke über dem Kopf – Jules Verne lässt grüßen.

Natürlich kann man auch auf die traditionelle Art, mit Schwimmflossen und Neoprenanzug, tauchen – in Grand Baie etwa, dem „St. Tropez“ im Norden der Insel. Teure Boutiquen, schicke Restaurants, trendige Bars und Cafés – in der breiten Bucht laufen Weltumsegler ein und starten Katamarane zu einem Ausflug auf die Ilot Gabriel, einem unbewohnten Inselchen wie aus dem Katalog. Wo man ungestört davon träumen kann, eine der letzten 14 roten oder besser noch eine der zwölf blauen Briefmarken zu besitzen, die als berühmteste Fehldrucke („post office“ statt „post paid“) der Philatelie gelten und zwei Millionen Euro das Stück wert sind. Weshalb sie den Besuchern des Bluepenny-Museums von Port Louis auch nur zehn Minuten am Tag gezeigt werden; das Tageslicht könnte die blauen sonst zu gelben Marken ausbleichen.

Nichts von all diesen Attraktionen bietet Rodrigues, die kleine, karg bewachsene Nachbarinsel von Mauritius, die aber gerade ihrer Ruhe und Ursprünglichkeit wegen als Geheimtipp gehandelt wird. Auf Rodrigues scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, auch wenn es in der „Hauptstadt“ Port-Mathurin bereits zwei Internetcafés gibt. An außergewöhnlichen Aktivitäten bieten sich der Marktbesuch am Samstag und der Kirchgang am Sonntag an. Das Tophotel ist das „Cotton Bay“, das einen der schönsten Strände der Insel besitzt, ferner ein Tauchzentrum und einen Stall voll zahmer Pferde.

Unter den wenigen Restaurants der Insel ist „John’s Resto“ in Mangues erwähnenswert, das schon Prince William – Rodrigues gehörte wie Mauritius einst zum britischen Empire – besuchte. Auf der Karte stehen so verlockende Speisen wie Lobster und die riesigen Konokono-Muscheln.

Auf Rodrigues darf man sich noch als Entdecker fühlen, nur 6000 Europäer bereisen das Eiland jährlich. Obwohl vulkanischen Ursprungs wie Mauritius, ist die Insel eher hügelig, wobei die höchste Erhebung der Mont Limon mit 398 Metern ist. Um Erosionen entgegenzuwirken, hat man besonders in den karstigen Küstenregionen mehr als eine Million Casuarinen, Akazien und Eukalyptusbäume eingesetzt, zur Zierde zunehmend auch Blütengewächse wie Bougainvillea und Hibiskus sowie Kokospalmen – nicht zuletzt, weil Touristen sie in den Tropen erwarten. Was Rodrigues gegenüber den anderen kreolischen Insel im Indischen Ozean allerdings auszeichnet, ist eine riesige Lagune – herrliche Tauchgründe ohne Massenandrang. Eine Idylle auf Zeit, denn schon wird die Landebahn am Flughafen ausgebaut, das Straßennetz saniert, sind weitere Hotels in Planung.

Fazit: Für eine luxuriöse Robinsonade sind die Seychellen wie geschaffen; Jetsetter und Gourmets kommen auf Mauritius auf ihre Kosten; Abenteurer und Sportler auf Réunion, während ruhebedürftige Individualisten, die auf Superlative verzichten können, sich für Rodrigues entscheiden sollten.