Zwei rätselhafte, historische Grafiken. Als unlängst ein Mauritianer die Bilder in Dresden sah und seine Insel entdeckte, war das Rätsel nach 100 Jahren gelöst: Dargestellt ist die tragische Liebesgeschichte von „Paul und Virginie“, die im 18. Jahrhundert auf Mauritius spielt. Und damit war bei Konrad Hirsch die Neugierde geweckt. Er bat Al Kabir Thupsee, ihm seine Insel zu zeigen.

Konrad Hirsch ist Filmemacher, Journalist und Fotograf. Für seine Reisereportagen hat er bereits die halbe Welt bereist. Unlängst erkundete er Mauritius und hatte das Glück, dass ihm ein Mauritianer seine Insel zeigte. Seine Reportage, erschienen im TOP-Magazin, stellte uns der Autor zur Verfügung.

„Ausflug ins Paradies“ – Konrad Hirsch

Im Haus meiner Großmutter hängen zwei farbige Grafiken, die mich als Kind faszinierten. Dargestellt sind Herrschaften in Kleidern, wie man sie in Europa im 18. Jahrhundert trug. Eine Szene ist dramatisch und spielt sich bei Vollmond vor zerklüfteter Landschaft ab. Auf beiden Blättern sind Palmen, exotische Menschen und Früchte dargestellt. Die Geschichte der Bilder, die seit hundert Jahren an dieser Wand in Dresden hängen, war mir unbekannt, bis unlängst ein Freund sie entdeckte und die Nationalhelden seiner fernen Insel erkannte: Dargestellt ist die Geschichte von „Paul und Virginie“, erklärte er. Die tragische Liebesgeschichte, die auf der Insel Mauritius ihren Anfang und ihr Ende erlebt, hat Jacques-Henri Bernardin de Saint-Pierre 1788 geschrieben. Der Roman wurde sehr populär und noch heute kennt auf Mauritius jedes Kind die Erzählung. Illustrationen der Geschichte gibt es viele. Die zwei Grafiken im Haus meiner Großmutter stammen aus einer Serie von sechs Farbaquatintaradierungen, die unser mauritianischer Freund bislang nur aus dem Katalog von Sotheby’s kannte.

So lösen sich Rätsel, so erwacht Neugierde. Ich bat Al Kabir Thupsee, mir seine Insel zu zeigen. Aufgewachsen auf Mauritius, studierte er in Paris. Seit drei Jahren ist er in Deutschland in der Hotellerie tätig.

Für den Autor Saint-Pierre war es 1768 eine lange Schiffsreise. Heute gibt es Direktflüge ab Frankfurt. Die Flugzeit zur Insel Mauritius beträgt fast zwölf Stunden. Es empfiehlt sich daher, einen Sitz mit genügend Beinfreiheit zu buchen. In 8000 Metern Höhe fliegt die Maschine über endlos scheinende afrikanische Wüsten. Lange Zeit sehe ich nur Wasser, entdecke Madagaskar, die Seychellen und dann eine grüne Insel, flächenmäßig gerade mal doppelt so groß wie Rügen. Der internationale Flughafen im Südwesten der Insel trägt den Namen des einstigen Premierministers Sir Seewoosagur Ramgoolam. Seit 1958 ist Mauritius unabhängige Republik. Der erste Eindruck: tropisch warm, freundlicher Empfang. Ein Visum ist nicht nötig.

Mein Reiseführer Al Kabir hat einen Mietwagen gebucht. Bevor er seine Eltern besucht, die in der Hochebene in Curepipe wohnen, fahren wir zum Hotel. Wichtigster Wirtschaftszweig, erfahre ich, ist der Tourismus. In den letzten zwanzig Jahren hat sich Mauritius zur Insel des Jet Set und zum beliebten Urlaubsparadies entwickelt. An den schönsten Orten gibt es Hotels. Als Mauritianer hat mir Al Kabir natürlich ein Hotel empfohlen, das zur mauritianischen Beachcomber-Gruppe gehört. Sein Lieblingshotel auf der Insel. Bis dahin sind es etwa vierzig Minuten Fahrzeit. Den Linksverkehr meistert Al Kabir, den sein Bruder auf der Insel das Autofahren gelehrt hat, mit Bravour. Ich genieße die Fahrt durch das satte Grün der Hügellandschaft. Vor uns taucht der markante, über 500 Meter hohe Felsen „Le Morne Brabant“ auf, zu dessen Füßen das Dinarobin Hotel liegt. Check in im Paradies. Nein. Das ist kein Check in, das ist ein herzliches Willkommen in einem Fünf-Sterne- Resort, das sich harmonisch in die üppigen tropischen Gärten einfügt. Von der Rezeption sind es nur wenige Meter zum Strand. Mein Ritual am Meer: zuerst den Fuß ins Wasser, diesmal ins wärmste aller Meere. Mauritius ist von Korallenriffs umgeben, geschützt wie durch einen Gürtel. Zwei Bilder aus dem frühen 19. Jahrhundert sind schuld, dass meine Füße nun der Indische Ozean umspült. Al Kabir hat mich zu einem außergewöhnlichen, luxuriösen Ort geführt, an dem die Gäste mit Elektrocars zu ihren strohgedeckten Bungalows gefahren werden. Individualität wird hier großgeschrieben.

Fünf Tag Mauritius. Al Kabir zeigt mir seine Insel. Nach wechselvoller Geschichte – im 16. Jahrhundert war die Insel portugiesisch, dann niederländisch, fast hundert Jahre französische und ab 1810 britische Kolonie – ist Englisch Amtssprache. Mit den Mauritianern spricht Al Kabir französisch oder Kreol. Ich lerne seine Familie kennen, die vor über 300 Jahren aus Indien auf die Insel kam. Kabirs Vater war vor seiner Pensionierung als Regierungskonsultant für den Export von Tee zuständig. Die Familie hat Tee- und Zuckerrohrplantagen. Mauritius hatte keine Ureinwohner. Etwa zwei Drittel der Bevölkerung stammt wie die Familie Thupsee aus Indien. Auf Mauritius leben verschiedenste Kulturen und Religionen im Einklang. Inder, Afrikaner, Chinesen, Europäer, Kreolen haben eine multikulturelle Gemeinschaft gebildet. Es gibt Christen, Hindus, Buddhisten und Moslems, Tempel, Kirchen, Pagoden und Moscheen. Kabirs Familie gehört der muslimischen Religion an, und Al Kabir ist ein muslimischer Name.

In den nächsten Tagen erkunden wir die Insel. In der quirligen Hauptstadt Port Louis begegne ich im Blue Penny Museum dem Wahrzeichen der Insel, der weltbekannten Briefmarke „Blaue Mauritius“. Im Museum sind Briefmarken aus aller Welt ausgestellt. Wir fahren durch die Landschaft von „Paul und Virginie“, wandern im Nationalpark „Black River Gorges“ zu versteckt gelegenen Wasserfällen. Eine Attraktion ist das Naturphänomen „Seven Colored Earth“. Hier lagern verschiedenfarbige Gesteinsschichten vulkanischen Ursprungs, die durch die Sonneneinstrahlung ihre Farbe verändern. Zwischen den Zuckerrohrfeldern der grünen Hügel besuchen wir die Rum-Destillerie „Chamarel“ und erleben eine interessante Führung mit Verkostung. Im Norden der Insel führt mich Al Kabir durch den tropischen Pflanzengarten „Pamplemousses“, wo es riesengroße Seerosenblätter zu bewundern gibt. Ein ganz besonderer Ort ist das frisch restaurierte Koloniallandhaus „Labourdonnais“ mit herrlichem Park und tropischen Obstgärten. Auf den Märkten der Einheimischen staune ich über die Vielfalt von Gemüse und Früchten. An der Küste bieten die Fischer fangfrisch exotische Fische an.

Nach unseren Ausflügen ist das Dinarobin Hotel der perfekten Ort, um Körper und Seele neue Kraft zu geben. Die Bungalows mit ihren luxuriös ausgestatteten Suiten liegen direkt am Strand und verfügen über individuelle Swimmingpools. Entspannung pur bietet das Clarins- Spa. Hier werden neben Yoga-Kursen vielfältige Anwendungen angeboten. Zwischen den tropischen Gärten des Dinarobin und des benachbarten Paradies- Hotels ist vor der einzigartigen Kulisse des „Le Morne Brabant“ ein 18-Loch-Golfplatz angelegt. Acht Restaurants stehen den Hotelgästen zur Verfügung. Beim Abendessen lerne ich hier die facettenreiche kreolische Küche kennen. Al Kabir zitiert Mark Twain: „Zuerst wurde Mauritius geschaffen, dann das Paradies. Aber das Paradies war nur eine Kopie.“ Nach fünf Tagen auf der Insel kann ich den amerikanischen Schriftsteller verstehen: Mauritius, Paradies auf Erden.

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