Mauritius liegt irgendwo bei Flensburg. Wie bitte? Ganz genau! In Kappeln betreibt die Familie Althaus das einzige uns bekannte original mauritianische Restaurant in Deutschland. Das „La Case Kreol„. Grund genug für uns, hinter die Kulissen bzw. in die Kochtöpfe zu schauen.

Francie Althaus lässt uns teilhaben an einer spannenden Biografie, die weit mehr zu bieten hat, als nur das leckere Curry in ihrer Küche.

Wenn Orient und Okzident verschmelzen – Interview mit Francie Althaus – La Case Kreol

1. Liebe Frau Althaus, haben Sie heute schon an Mauritius gedacht?

Ja, schon beim Aufwachen. Mein Bruder hat heute Geburtstag und er lebt in Mauritius. „Gibt es eine Feier?“ – „Wer wird dabei sein?“ – „Am Strand oder im Botanischen Garten?“ usw. Es gibt jeden Tag verschiedene Augenblicke, in denen ich an Mauritius denke. Es gibt auch jeden Tag Anekdoten aus meiner Kindheit oder sonstige Ereignisse „von früher“, die meine Schwester und ich uns erzählen. Mit meiner Mutter muss ich 1-2 mal pro Woche telefonieren. Ich bin immer ganz nah dabei, was Mauritius betrifft. Schließlich ist meine Nabelschnur dort in Curepipe begraben.

2.Bitte erklären Sie uns, wie das „La Case Kreol“ gerade mitten nach Schleswig-Holstein gekommen ist? Wie sind Sie gerade mitten nach Schleswig-Holstein gekommen?

Ich muss mit dem 2. Teil Ihrer Frage anfangen.
Bevor ich nach Schleswig-Holstein kam, habe ich fast 8 Jahre mit meinem Mann in NRW gelebt, in Siegen-Wittgenstein zwischen Bergen, Tälern und dunklen Fichtenwäldern auf einem Bauernhof und haben Kühe gemolken. Vor 15 Jahren besuchten wir den ehemaligen Professor meines Mannes in seinem Ferienhäuschen in SH. Wir waren gerade in der Vorbereitungszeit als Entwicklungshelfer für Äthiopien.
Als ich in diesen Teil von Deutschland kam, sagte ich zu meinem Mann: „Wenn wir noch mal nach Deutschland kommen, dann möchte ich hier leben.“ Die Landschaft fand ich sehr schön, vielleicht braucht mein Insulanerblut das Meer und die Weite – selbst wenn ich nicht in der Ostsee schwimmen mag – da bin ich wohl zu verwöhnt.
Die Menschen hier empfand ich auch als sehr angenehm und eben nicht als „Fischköpfe“. Es war auch das erste Mal, dass ich an einem neuen Ort spontan gesagt habe „Hier möchte ich leben.“

Wir sind fast 10 Jahre im Ausland gewesen, zuerst in Äthiopien, dann auf den Inseln der Salomonen in der Südsee. 1991, zwischen Äthiopien und den Salomonen, waren wir wieder in Deutschland und innerhalb von 2 Wochen haben wir Haus in Brodersby, 7 km von Kappeln, gekauft und weg waren wir wieder. 6 Jahre später kehrten wir zurück und seitdem ist mein neues Zuhause in Schleswig-Holstein. Schon 2 Jahre vorher auf den Salomonen hatte ich den Gedanken, ein Restaurant (natürlich Mauritisch-Kreolisch) in einer Stadt in Deutschland aufzumachen. Nach langen Überlegungen habe ich mich doch für das eher kleine Kappeln entschieden.
Erstens bin ich keine Stadtfrau, und zweitens habe ich jahrelang in anderen Ländern den jungen Leuten geraten, in den Dörfern zu bleiben, das Land zu entwickeln und nicht in die Stadt zu rennen, sondern die Stadt (als Kunden z.B.) aufs Land zu holen. Deswegen denke ich, dass ein kleiner Ort wie Kappeln etwas Besonderes bieten kann, so auch ein besonderes Restaurant, welches die Stadtmenschen aus ganz Deutschland besuchen sollen um ein besonderes kulinarisches Erlebnis zu genießen.

3.Ihr Restaurant ist fest in der Hand der Familie – wer gehört alles dazu?

Ja, das Restaurant ist fest in der Hand der Familie. Dazu gehören mein Mann, meine jüngere Schwester, ihr Mann und deren 2 Töchter, und auch mein Sohn, obwohl er sehr selten hier ist.

4.Was ist das besondere an der Kreolischen Küche? Was sind typische Gerichte?

Klingt vielleicht frech: Das Besondere an der kreolischen Küche ist, dass eben Kreolen kochen.

Für mich persönlich ist es das, wenn Orient und Okzident in meinen Töpfen verschmelzen und das Endprodukt dann seinen eigenen Charakter hat.
Das spielerische Ausprobieren von Gewürzen und Zutaten beim Kochen haben wir sicher irgendwie mit der Muttermilch aufgenommen. Die kreolische Küche ist kein Hotch-Potch, ein bisschen europäisch, ein bisschen indisch…. Sie hat sich im Laufe der letzen 300 Jahre mit einem europäischen, asiatischen, indischen und afrikanischem touch zu einer eigenen cuisine entwickelt. Sie entwickelt sich weiter. In Mauritius und überall auf der Welt wo Kreolen kochen. Es ist für mich sehr interessant, die deutsche Küche zu kreolisieren, und nicht umgekehrt.

Typische Gerichte sind Curries, Rougailles (die typische Tomatensauce), Vindails (mit Kurkuma und Schwarzsenf), Daubes (keine deutsche Übersetzung), Brèdes (grüne Blätter wie Grünkohl, Kürbisblätter, Wasserkresse), Brianis (Reisgericht) – die Liste ist wirklich lang. Wir haben aber auch Gratins (Aufläufe) und Gadjacks, Amusegueuls, welche zu jeder Gelegenheit serviert werden, auch zum Rum.

5.Beziehen Sie Zutaten direkt aus Mauritius?

Viele Gewürze beziehen wir aus MRU. Unsere Curry-Mischung nur aus Mauritius.
Andere Gewürze finden wir auch leicht hier in Deutschland, sie werden dann oft noch in unserer Küche gemischt und verfeinert.

6. Was erwartet den Gast in Ihrem Restaurant – veranstalten Sie Themenabende?

In meinem Restaurant findet der Gast eine sehr schlichte und schöne Atmosphäre durch unsere Lehmwände und die selbstgebauten Ziegel-Wandlampen.
Eine freundliche Bedienung durch unseren Kellner oder durch mich selbst.
Der Gast wird beraten und alles, was er bekommt, wird erklärt. Wir kochen für jeden Gast individuell, d.h. wenn der Gast bestellt hat und seine Wünsche geäußert hat, fangen wir an zu kochen. Dazu gut Weine aus Südafrika. Der Gast bekommt eine Urlaubsstimmung und natürlich ein kulinarisches Erlebnis. Wenn unsere Gäste schon auf Mauritius waren bekommen sie eine kleine Nachbetreuung.

Themenabende: Am 1. Samstag jeden Monats machen wir ein großes mauritisches Büffet. Wenn wir Zeit haben (und manchmal auch Verstärkung) machen wir eine kleine Sega-Vorführung.

7. Mauritius ist ein beliebtes Reiseland, die Küche einzigartig – warum gibt es keine weiteren Spezialitätenrestaurants in Deutschland – was meinen Sie?

Ich glaube, dass man sehr mutig sein muss, um sich in Deutschland selbstständig zumachen, gerade mit etwas Unbekantem. Zumal für Gastronomie ist von Banken keine Unterstützung zu haben. Wir haben uns erst ganz allein auf diesen Weg begeben und dann mit privaten Investoren bzw. Freunden, die an das Projekt glauben und Vertrauen in uns haben. Allein ist es nicht zu schaffen und es ist nicht leicht, Visa und Arbeitserlaubnis für Mitarbeiter aus Mauritius in Deutschland zu bekommen. Als ich für meine Schwester und ihre Familie den entsprechenden Papierkrieg hier anfing (Antrag auf Arbeitserlaubnis für Spezialitätenköche), sagte mir jemand von der ZAV in Bonn (dafür zuständig): “Mauritius? Kreolisch? Das ist doch keine Kultur und keine Spezialitätenküche in der Liste der nach Paragraph sowieso anerkannten nationalen Spezialitätenküchen“. Ich brauchte viele Argumente, um diese Genehmigung zu bekommen.

Menschen aus Mauritius zu finden, die gerne nach Deutschland zum Leben und Arbeiten kommen wollen, ist eine andere schwierige Sache. Die gehen lieber nach Australien, Kanada oder England. Sprache und Klima sind vielleicht Hindernisse, die Gesetzgebung (Einwanderung, Arbeitserlaubnis) macht es fast unmöglich. In Australien oder Kanada bekommt jemand aus MRU sehr schnell eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und kann sich langfristig mit seiner Familie eine neue Existenz aufbauen. In Deutschland bekommt ein Spezialitätenkoch nur 3 Jahre Aufenthaltsgenehmigung und müssen dann gehen. Wenn Kinder dabei sind, haben die dann möglicherweise 3 Jahre Schule in MRU verloren (anderes Schulsystem, vielleicht gerade vor dem Form-III-Exam ausgereist). Die Eltern haben dann vielleicht ihre Firmenrente oder alles andere verloren und müssen wieder bei 0 anfangen. Leute in Mauritius sind bekanntlich nicht auf der Flucht und würden so nicht ohne besondere Gründe nach Deutschland zum Arbeiten kommen.

In diesem Dilemma sind wir jetzt, denn meine Schwester und ihre Familie sind gekommen, um uns zu helfen. Entwicklungshilfe von Mauritius an Deutschland.
Wir haben nur ein bisschen Zeit bis zum 12. März 2005 und wir versuchen alles mögliche, um ihre Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis darüber hinaus zu verlängern. Es ist ein politisches Thema und in solcher Situation stelle ich das Land Deutschland in Frage, ein Land das so eine Ausländerpolitik hat.

Ich denke, es hat einige wenige Versuche mit mauritischen Restaurants in Deutschland gegeben, aber jeweils nur von sehr kurzer Dauer. Deutsche sind wohl sowieso Skeptiker und alles Neue (besonders Essen) braucht viel „Überzeugungsarbeit“. Ich glaube schon, dass (Geld, bzw. Investoren vorausgesetzt) ich weitere solche Restaurants in Deutschland propagieren könnte. ha! ha! ha!

8.Finden Sie regelmäßig Zeit und Gelegenheit Ihre alte Heimat zu besuchen? Was vermissen Sie?

Als ich 1980 nach Deutschland kam hatte ich öfter Heimweh und alle 2 Jahre bin ich für 3-4 Monate nach Hause geflogen. In der Zeit wo ich mit meiner Familie in Afrika und der Südsee war, bin ich in längeren Abständen geflogen, es gab auch andere interessante Länder und Kulturen kennenzulernen. 1998 war das letzte Mal, als ich in Mauritius war. 2 Jahre lang machte ich eine Umschulung „Meisterwissen im Hotel- und Gaststättengewerbe“. Seit wir das Restaurant im August 2001 aufgemacht haben, gab es keine Zeit mehr und ich muss zugeben, dass es mich derzeit kaum von hier wegzieht, ich eher dabei bin, hier in Kappeln mein kleines Mauritius aufzubauen. Doch ich denke, irgendwann bald wird das Kribbeln in den Füßen wieder anfangen. Da ich hier 2 Schwestern und viele andere Frauen aus MRU in der Nähe habe, ist das leichter zu ertragen. Die moderne Telekommunikation ist auch hilfreich, wenn man mit Mama schon beim Aufwachen oder noch im Bett telefonieren kann. Ich vermisse viele Menschen, die in Mauritius leben. Besonders meine 2 Brüder, meine Mutter, die Nichten. Ich vermisse die Feiern, das Meer, die „echten“ Bananen, die Märkte …

9.Verraten Sie uns zum Abschluss bitte noch eines Ihrer Lieblingsrezepte zum Nachkochen. Vielleicht ein leckeres Curry?

Ich habe eigentlich kein Lieblingsrezept. Alles, was ich koche, esse ich sehr gern und wenn ich Zeit habe kreiere ich neue Rezepte.
Gern gebe ich Ihnen ein Rezept aus meinem eigenen Kochbuch (noch nicht gedruckt, fehlen noch Geld und Verlag). Guten Appetit! Muluktani können Sie als Suppe oder mit weniger Flüssigkeit mit Reis essen. Viel Spaß!

Muluktani de poulet
Chicken muluktawni
Hähnchen Muluktani

1 ½ Kg Brathähnchen
100 ml Kokosmilch
1 feingehackte große Zwiebel
1 Tasse Hühnerbrühe
1 El Currypulver
1 El Essig
5 El Wasser
250 g Tomaten
1 El gehackte Petersilie
3 El Tamarindenpaste in einer Tasse heißem Wasser
5 Curryblätter
3 fein zerdrückte Knoblauchzehen
½ Tl geriebene Ingwer
1 klein gehackte rote Chilischote (oder mehr, je nach Geschmack)
Salz, Pfeffer, Öl

Hähnchen im Backofen garen und in Stücke schneiden. Tamarindenpaste in heißem Wasser 30 min. ziehen lassen, gut verrühren und durch ein Sieb passieren, Tamarindensaft auffangen. Currypulver mit Essig und 5 El Wasser verrühren und stehen lassen. Tomaten in kleine Würfel schneiden. Öl erhitzen, Zwiebel und Tomaten andünsten. Petersilie, Curryblätter, Knoblauch, Ingwer, Chili, Curry-Essig Mischung hinzufügen. Wenige Minuten später die Hähnchenstücke, Kokosmilch, Tamarindensaft sowie Hühnerbrühe dazugeben und 10-15 Min. aufkochen.

10. Was wünschen Sie Mauritius für dieses Jahr?

Für dieses Jahr und alle Jahre die folgen, wünsche ich Mauritius Frieden und dass die Menschen auf dieser schönen Insel trotz der Unruhe in vielen Teilen dieser Welt die Toleranz gegenüber einander nicht verlieren und immer im Kopf behalten, was die besonderen Resourcen unserer Insel sind: ihre Schönheit und ihre Bewohner.

Wir danken für das Gespräch!

Weitere Informationen, wie die Speisekarte und einen Anreiseplan finden Sie auf der Internetseite des Restaurants. Gern geben wir den Hinweis von Frau Althaus weiter, dass auch eine Ferienwohnung zur Verfügung und einem kulinarischen Kurzurlaub in Mauritius damit nichts im Wege steht.