Katrin Caine studierte Gesang und Musical an der Hochschule für Musik Nürnberg, arbeitete erfolgreich als Gesangslehrer an der Musikschule Grünwald und wirkte als Solistin und Chorsängerin in einer Vielzahl von Aufführungen im In- und Ausland mit. Seit einigen Jahren lebt Sie mit Ihrer Familie auf Mauritius, arbeitet an der Opera Mauritius als Chorleiterin und gab uns ein wunderbares Interview.

„Leben im Tempo der Insel“ – Interview mit Katrin Caine

Frau Caine singen Sie unter der Dusche?

Selbstverständlich!! Eigentlich fast immer.

Wie hat es Sie aus dem beschaulichen Annaberg-Buchholz im Erzgebirge nach Mauritius verschlagen?

Mich hat es zuerst nach München verschlagen, wo ich 14 Jahre gelebt habe. Ich habe in Augsburg studiert und habe in München am Gärtnerplatztheater und in der renommierten Musikschule in Grünwald (südlich von München) gearbeitet. Vor ca 5 Jahren habe ich meinen Mann im Internet kennengelernt. Leider musste ich feststellen, dass er am anderen Ende der Welt lebt, aber wenn es der Richtige ist, dann spielt Entfernung keine Rolle. Nachdem wir uns einige Male getroffen haben, war klar, dass wir heiraten würden und so bin ich mit meinem Sohn zu ihm nach Mauritius gezogen. Es ist gut, in einer Kleinstadt aufgewachsen zu sein, weil Mauritius auch so eine Art Dorf ist, wo jeder jeden kennt und es ist gut, im Millionendorf München gelebt zu haben, weil dieser Name zu Mauritius auch gut passen würde.

Sie arbeiten an der Oper Mauritius als „Artistic Coordinator“. Was für ein Aufgabenfeld genau verbirgt sich hinter dieser Bezeichnung?

Wir haben „Opera Mauritius“ aus dem nichts angefangen, wie wenn man ein Haus in der Wüste baut. Es gab seit Jahren nichts dergleichen auf der Insel. Mein Aufgabenfeld im ersten Jahr umfasste einfach alles: Künstler betreuen, enge Zusammenarbeit mit Bühnenbildner, Regisseur, Dirigent, Flüge organisieren, den Chor studieren, Sponsoren finden, mit Politikern verhandeln, Unterkunft, Verpflegung, Transport organisieren usw. Ich hatte Glück, hier Paul Olsen getroffen zu haben, mit dem ich alle diese Herausforderungen gemeinsam angehen konnte. Unsere erste Produktion war Bizets „Perlenfischer“, im letzten Jahr folgte „Carmen“. Für „Carmen“ hab ich wieder den Chor übernommen und einen Kinderchor gestartet. Da ich diesmal selbst die Rolle der „Mercedes“ gesungen habe, mussten wir vorsorgen und andere Leute finden, die bei Bühnenprobenbeginn meine Aufgaben übernehmen konnten. Das hat ganz gut funktioniert. Inzwischen haben wir einen jungen amerikanischen CEO Thomas Rhodes, der sich allen organisatorischen Aufgaben stellt und ich kann mich endlich dem widemen, was ich eigentlich machen möchte: Musik. Wir haben als Teil von „Opera Mauritius“ die „Opera Mauritius Academy“ gegründet, die sich zum Ziel gesetzt hat, einheimische Künstler fit für die Bühne zu machen. Das umfasst alle Bereiche: Regie, Kostüme, Bühnenbild, etc. Meine neue Berufsbezeichnung ist allerdings „head of vocal training“, weil ich die Ausbildung unserer Sänger übernommen habe. Teil dessen sind natürlich auch der inzwischen 60köpfige „Opera Mauritius Choir“ und der Kinderchor, der im Moment ca 40 Kinder umfasst. Opera Mauritius Academy hat Premiere mit ihrer ersten Produktion „Hansel and Gretel“ (in english) im Juni dieses Jahres. Dabei singen ausschließlich Sänger, die in Mauritius geboren sind oder leben und natürlich der Kinderchor.

In kürzester Zeit ist Ihnen gelungen, aus talentierten Amateuren einen Chor zu formen, der exzellente Kritiken erhält – was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Um ehrlich zu sein, darüber staune ich selbst immer noch. Ich weiß nicht, ob es ein Erfolgsgeheimnis gibt. Ich denke, es ist von Vorteil, wenn ein Chorleiter auch ein Stimmbildner ist. Ich bin begeistert von Chorarbeit. ich fühle mich immer wie ein Kind, das mit Bausteinen spielt und bin immer wieder fasziniert und beglückt, wenn Stimmen schön zusammenklingen. Ich liebe gut geführte Linien und ehrlichen Ausdruck in der Musik und einen Wechsel zwischen Schwelgen und Schlichtheit. Es gibt in Mauritius jede Menge „Rohmaterial“ an guten Stimmen, vor allem über meine Männerstimmen bin ich sehr glücklich. Ich versuche sicherzustellen, dass jeder seine Stimme gut kennt und kann. In vielen Chören, in denen ich gesungen habe, habe ich gesehen, das Leute Probleme hatten, ordentlich zu singen, schlicht und ergreifend, weil sie ihre Töne nicht gut genug konnten und die wenigsten Leute sind hervorragende Blattsänger. (Notenleser) Ich versuche, eine gute Stimmung im Chor zu halten. Ich bestehe darauf, dass jeder gegüßt wird und dass nicht schlecht über andere geredet wird. Ich möchte, dass der Chor sich als Team sieht. Wir haben oft Strandparties, die immer damit enden, dass jemand die Gitarre rausholt und gesungen wird und am Ende wird fast immer Sega gesungen und getanzt. Ich versuche, in meinen Sängern Begeisterung und Verständnis für das zu wecken, was sie singen.

Sie arbeiten sehr gern mit Kindern, haben selbst Musicals für Kinder geschrieben und aufgeführt. Können Sie sich auch auf Mauritius dem musikalischen Nachwuchs widmen?

Ich wollte eigentlich nicht so bald mit einem Kinderchor starten, weil ich eigentlich das Inselleben geniessen und meine Zeit ganz Familie und Kindern widmen wollte. Aber wir haben ja einen Kinderchor für „Carmen“ gebraucht. Meine (Stief-)Tochter war im richtigen Alter und ganz scharf darauf, im Kinderchor zu singen, also hab ich einen Chor bei uns daheim gestartet und einen zweiten Teil des Chores im Zentrum der Insel, um auch anderen Kinder zu ermöglichen, beim Abenteuer Oper dabei zu sein. Nach „Carmen“ haben ich den Chor, in dem sich innige Freundschaften zwischen den Kindern gebildet haben, behalten und wir haben seitdem ein Weihnachtskonzert, ein Konzert zum Unabhängigkeitstag von Mauritius gesungen und nun bereiten wir „Hansel and Gretel“ vor, wo zwei der Kinder sogar Sandmännchen und Taumännchen singen werden. Außerdem schule ich im Rahmen eines neuen Programmes Chorleiterinnen, die Kinderchöre in unterprivilegierten Regionen von Mauritius übernehmen.

Sie leben und arbeiten nun schon längere Zeit auf Mauritius, wie vertraut ist Ihnen Ihre zweite Heimat inzwischen?

Ich hab mich eingewöhnt. Ich habe gute Freunde gefunden. Mein Familienleben ist einfach nur wundervoll. Ich bin genauso beschäftigt wie ich in München war. Dieses Jahr singe ich die Hauptrolle in „Mamma mia“, in „Hansel and Gretel“ und eine kleine Rolle in „La Traviata“. Ich habe viele kleine Konzerte und Aufgaben. Viele Menschen, die ich nicht kenne, kennen meinen Namen. Es ist halt doch ein Dorf. 🙂 Zur Zeit steht fast täglich etwas in der Zeitung entweder über Opera Mauritius oder Mamma mia und jetzt muss ich gleich los zu einem Radiointerview.
Ich fühle mich pudelwohl in Mauritius. Die meisten Menschen, die ich hier getroffen habe, sind warm und liebevoll. Als Deutscher muss man entspannen, was Verkehr, Pünktlichkeit und Kompetenz angeht. Ansonsten wird man verrückt. Wenn man aber mal das Tempo der Insel akzeptiert hast, ist es ein gutes Leben.

Welche Orte auf der Insel lieben sie besonders? Wo trifft man Sie, wenn Sie nicht auf und hinter der Bühne arbeiten?

Ich verbringe die meiste Zeit im Auto. Für fast alle Termine, die ich habe, muss ich mindestens 15 bis 60 Minuten Fahrtzeit einplanen. Macht nichts, ich lerne viel im Auto. Und sonst? Probenraum, daheim, Kirche, Supermarkt, Tennisplatz… leider viel zu selten am Strand. Ich liebe Tamarin, wo wir wohnen, für mich ist es der schönste Ort der Insel.

Hand aufs Herz – vermissen Sie nicht manchmal Schnee und Weihnachten im Erzgebirge?

Selbstverständlich!! Weihnachten in Mauritius ist „furchtbar“ für einen Erzgebirgler. Es ist heiß. Deutsches Essen viel zu schwer, Schwippbögen und Pyramiden mit den Kerzen sehen in der grellen Sonne nach nix aus und die die Kerzen schmelzen sowieso. Immerhin versuche ich, mit ein paar Räucherkerzchen und erzgebirgischer Musik ein bißchen Heimatgefühl herzustellen, aber es wird definitiv Zeit für „ordentliche“ Weihnachten im Schnee.

Was wünschen Sie Mauritius für die nächste Zeit?

Im allgemeinen wünsche ich der Insel, dass sie von Kriminalität und Drogen verschont und friedlich und sicher bleibt. Als Sängerin und Gesangslehrerin wünsche ich Mauritius, dass die Entwicklung von Kunst und Kultur weiter voran geht, dass wir noch viele gute Vorstellungen im Bereich Oper, Operette und Musical sehen werden, dass die Kinder und Jugendlichen der Insel eine reelle Chance für eine ausgezeichnete musikalische Ausbildung erhalten.

Vielen Dank für das Gespräch!