Uwe Janßen ist Stellvertretender Chefredakteur von Europas größtem Segelmagazin, der YACHT wo in dieser wunderbare Bericht über das Segeln vor Mauritius veröffentlicht wurde.

Aufgewachsen an der Nordseeküste, ist er von Kindesbeinen an mit dem Segeln vertraut. Janßens journalistische Laufbahn begann mit einem Volontariat beim Deutschen Sportverlag in Köln, ehe es den studierten Wirtschaftsingenieur wieder in den Norden zog. Vier Jahre lang war Janßen Redakteur des Gruner+Jahr-Magazins „Sports“, anschließend unter anderem Ressortleiter bei „Fit for fun“ und Mitglied der Entwicklungsredaktion für das Nachrichtenmagazin „Ergo“ im Bauer-Verlag. Außerdem arbeitete Janßen als freier Autor für Magazine (u. a. „Stern“, „Playboy“) und Tageszeitungen („u. a. „Welt“, „die tageszeitung“, „Hamburger Abendblatt“) und verfasste diverse Sportbücher. 1999 machte Janßen schließlich bei der YACHT fest.

„Mauritius Törn“ von Uwe Janßen

D7102 arbeitet nicht. Gilbert, der Skipper, hebt gelassen die Schultern: „Sind wohl mal wieder die Batterien leer“, sagt er ergeben. Macht ja nichts. D7102 ist schließlich nur ein internationales Seezeichen. Von wegen Fl (4) 30 s, wie’s in der Karte steht: Den Leuchtturm auf der Ile Plate umgibt absolute Schwärze.

Na und? Vollkommen egal. Mauritius ist vermutlich die einzige Insel der Welt, deren Einwohner keinerlei Bezug zur Seefahrt haben. Es geht der Spruch, dass man Mauritier in einer Menschenmenge am Strand unschwer daran erkennt, dass nur sie nicht aufs Meer schauen, sondern ins Hinterland. Da ist was dran.

Bei der Einreise entspinnt sich mit dem Beamten von der Immigration folgender Dialog:

„Was ist der Grund Ihres Besuchs?“

„Segeln.“

„In welchem Hotel?“

„Mit einem Schiff.“

„Und wo werden Sie wohnen?“

„Auf dem Boot.“

„Ja, aber wie lautet Ihre Adresse?“

„Ich bin auf dem Boot.“

„Und abends?“

„Bleibe ich auf dem Boot.“

„Aber wo schlafen Sie?“

„An Bord.“

Nach einer ganzen Weile solchen Geplänkels blickt der gute Mann resigniert auf und drückt schließlich, immer noch verständnislos, seinen Stempel aufs Formular. Das Gespräch wiederholt sich in ähnlicher Form mit anderen Insulanern. Fahrtensegeln ist in Mauritius so populär wie Muscheltauchen im Dümmer.

Rainer Hauck kann davon ein Lied singen. Der Frankfurter überführte seine 36-Fuß-Stahlslup in sieben Monaten vom IJsselmeer hierher. Leider nicht ganz schnell genug. Der Hafen der Hauptstadt Port Louis, der einzige der Insel, hat nur von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Hauck, von seiner Familie bereits am Kai erwartet, erschien um 18.10 Uhr. Er musste wieder abdrehen und weitere 13 Stunden und 50 Minuten auf See zubringen.

In diesem Klima seglerischer Ignoranz verdienen die zuweilen an Quichotterie erinnernden Bemühungen von Jean-François Rivière Höchstachtung. Der 49-Jährige, ein umwerfend sympathischer Mensch, betreibt im äußersten Norden das Charterunternehmen Terres Océanes, unweit vom Cap Malheureux, dem Kap des Unheils. Seit zwei Jahren besitzt er dieses Monopol – und exakt so lange dauert sein Kampf um einen schlichten Steg. „Neun Ministerien“, sagt Rivière, wollen gefragt werden. In dem Geflecht aus Unwissenheit und Bürokratie versickerte bislang jeder Versuch, die Genehmigung für die Installation von ein paar Holzpfählen zu bekommen. So werden Gäste, Gerät und Gepäck auf die rustikale Tour eingeschifft: mit dem Dingi vom Strand aus.

Die Törnplanung gestaltet sich überaus einfach. Mauritius ist nahezu lückenlos umschlossen von einem Korallenriff. Deshalb besteht an der etwa 160 Kilometer langen Küste kaum Zugang zu sicheren Ankerplätzen. Keine Möglichkeit im Süden, nur zwei im Osten: in Trou d’Eau Douce – mit einer überaus kniffligen Passage – und in der gigantischen Lagune vor der ehemaligen Inselhauptstadt Mahébourg. Dort indes herrscht immer auflandiger Wind, Nächte vor Anker scheinen nur bedingt angeraten. Außerdem setzt auf dem Weg dahin, an Nord- und Südküste, bis zu 5 Knoten Strom, die wollen erst mal totgesegelt werden.

Längere Seeschläge sind ebenfalls nicht drin. Die nächsten Inseln Réunion und Madagaskar liegen knapp 100 beziehungsweise 430 Meilen im Westen, das wildromantische Rodrigues, Mauritius’ kleine Schwester, gut 300 Meilen ostwärts. Ein Weg wäre immer gegenan, und das, mit einem Katamaran zumal, kann sich nur erlauben, wer über sehr viel Zeit verfügt. Bleibt Buchten-Hopping im Westen.

Da es für diese maritime Diaspora weder spezielle Handbücher noch Detailkarten gibt, muss der einzige Übersegler genügen. Ebenso gut könnte man mit einem Globus navigieren. Schon deswegen macht es Sinn, dass mit Gilbert und Vincent zwei intime Revierkenner die Schiffsführung übernehmen. Souverän manövrieren sie an der winzigen Stange vorbei, die die Passage im Riff mehr schlecht als recht markiert. Unkundige müssen sich an Tiefblau, Aquamarin und Türkis orientieren und anhand der Wasserfarbe hindurchtasten.

Mit 6, zeitweise 7 Beaufort reißt der Nordost die Gischt von den Wellen, die über dem Riff brechen. Ach ja, die gewohnte Wettervorhersage gibt es hier erwartungsgemäß ebenfalls nicht. Ist auch nicht nötig. Zwischen Mai und Oktober dominiert verlässlich der Südostpassat. Übers restliche Jahr bläst es häufig mal aus dem ersten Quadranten, allerdings meist nicht so stark wie jetzt.

In Rauschefahrt schießt der Kat bei ablandigem Wind Richtung Süden. Das Land in Luv bewirkt starke Dreher, ohne dass sie ernsthaft Probleme bereiten. Nach 16 Meilen ist Port Louis erreicht.

2001 entstand in der Hauptstadt so etwas wie eine „Marina“. Nirgends sonst gibt es eine Pier mit Strom und Wasser. Und tatsächlich liegen ein knappes Dutzend Weltumsegler aus aller Herren Länder vor dem modernen Komplex namens Caudan Waterfront. Es ist der einzige Ort, der sich für Monohulls eignet. Während die Wassertiefe schon knapp eine Meile vor der Küste bei über 1000 Meter liegt, lässt sich die Lagune innerhalb des Riffgürtels nur mit flach gehenden Katamaranen befahren. Der Mangel an Möglichkeiten ist sicher ein Grund, dass es auf Mauritius nur 40 bis 50 Segelyachten gibt, die fast ausnahmslos für Hotels und Tourenanbieter in Tagescharter laufen. Privates Fahrtensegeln ist auf dem Tropen-Eiland verbreitet wie Faserpelz.

Von den wenigen Yachteignern pilotieren beruflich nahezu alle einen Jet der Air Mauritius. Sie können es sich leisten. Der Spaß, darin liegt eine weitere Ursache, kommt von Staats wegen derart teuer, dass sich der Herr Eichel gegen seinen ansässigen Kollegen ausnimmt wie ein barmherziger Samariter. So musste Rainer Hauck das Schiff, mit dem er aus Europa kam, um sich mit seiner mauritischen Gattin in deren Heimat anzusiedeln, binnen vier Wochen ins Ausland verkaufen. Ansonsten wären Steuern fällig geworden – 85 Prozent.

Gegen Abend legt sich absolute Ruhe über Port Louis. Der tags pulsierende 140000-Einwohner-Ort wird schlagartig zur Geisterstadt. In der Tat verfügt Mauritius außerhalb der Hotels über keinerlei nennenswertes Nachtleben, nicht einmal die Kapitale. Der Tag beginnt früh – durchaus üblich, dass Gäste um 6 Uhr morgens vom unablässigen Krach eines Rasentrimmers geweckt werden –, und er endet auch früh. Kurz nach 16 Uhr schließen die Geschäfte. Als es nach dem vorzüglichen Mahl im „Le Capitaine“ am Hafen noch auf die Piste gehen soll, wirkt das Skipper-Duo zum ersten Mal hilflos. „Lasst uns lieber morgen früh auf dem Markt herumstöbern.“

Nun gut. Zum nächsten Ziel sind es eh wieder nur 17 Meilen, da genügt entspanntes Lossegeln am Nachmittag. Um zuvor “200 Jahre Zeitsprung in 200 Metern“ zu erleben, wie die „Financial Times Deutschland“ das formuliert.

Abgesehen davon, dass der Preis identischer Produkte, etwa bei Souvenirs, CDs und Bekleidung, auf dieser Distanz zwischen ufernaher Kommerzmeile und archaischem Markt um schätzungsweise 70 Prozent sinkt: Der Besucher schreitet tatsächlich in eine vergangene Epoche. Händler bieten wie ehedem an grob zusammengezimmerten Ständen kunstvoll gestapelte Tropenfrüchte und Gemüse feil. Fisch, Fleisch und Geflügel werden wie vor Erfindung der Lebensmittelhygiene von schmuddeligen Steintischen verkauft. Und nebenan preisen Homöopathen, gleichsam in vorsintflutlichen Apotheken, die Wirkung ihrer Kräuter gegen Zipperlein aller Art – von Diabetes bis Libidoschwäche. Nichts, was es in dem Gewusel nicht irgendwo gibt.

Nach abschließendem Begutachten der berühmtesten Hervorbringung der Insel, der Blauen Mauritius, geht’s wieder auf See. Vorbei an der Flotte der rotten japanischen Fischtrawler, allesamt Kopien von B. Travens „Totenschiff“, deren großes Geheimnis bleibt, wie ihnen die Physik zu schwimmen gestattet. Und vorbei am Containerterminal, wo die Ozeanriesen gelöscht werden. Ohne ihre Fracht, ohne Importe, wäre die Insel nicht, was sie ist.

Mauritius’ erlesene Kundschaft verlangt vieles, was das Land nicht hat. Neben dem Zuckerrohr, das 90 Prozent der vormals bewaldeten, heute landwirtschaftlich genutzten Fläche beansprucht – wodurch es, so „Die Zeit“, vor allem in der Nordhälfte mittlerweile „genau so öde aussieht wie im flurbereinigten Niederbayern: Monokultur, so weit das Auge reicht“ –, daneben also ist der Tourismus zum wichtigsten Wirtschaftszweig avanciert. Im vergangenen Jahr kamen 682000 Besucher. Das ist Rekord und weit mehr als die Hälfte der Einwohnerzahl.

Wir reden dabei nicht von Horden jener meist germanischen und angelsächsischen Zeitgenossen, die fern der Heimat lautstark zur Schau stellen, was sie für Niveau halten – Charterflieger dürfen hier fast gar nicht landen. Wir reden von Herrschaften mit hinreichender Liquidität. Und wir reden von Weltstars, von Extremluxus, von vier Sternen mindestens. Von einer Elite, die sich, erwartet von persönlichen Butlern, gern die maximal einstündige Autofahrt vom Flughafen ins entlegenste Refugium spart und stattdessen den Hubschrauber-Shuttle wählt.

Tippen Sie im „Who’s who“ auf irgendeinen Namen – mit großer Wahrscheinlichkeit erwischen Sie einen Mauritius-Fan. Bryan Ferry, Ornella Muti und Jean-Paul Belmondo zählen dazu wie Eric Clapton, Stephanie von Monaco, Claudia Schiffer, Boris Becker, Silvio Berlusconi, Jacques Chirac und so fort. Könige sind Kunden, selbstverständlich. Auch der nach 48 Siegen in Serie entthronte Box-Weltmeister Dariusz Michalczewski ließ sich unlängst hier seine Wunden lecken. Und Formel-1-Rekordchampion Michael Schumacher begab sich gar mit einem Terres-Océanes-Kat auf Tagestörn.

Mario Adorf kommt regelmäßig seit 20 Jahren. Der Grandseigneur der Filmbranche beschreibt sein erstes Erlebnis so: „Es war wie ein Heimkommen an einen Ort, an den man sich genau erinnert – ohne jemals dort gewesen zu sein. Ein magischer Ort.“

Der Zauber hat die Insel verwandelt. Die 1896 geäußerte Vermutung des Schriftstellers Mark Twain, Mauritius habe Gott als Vorbild für seinen Garten Eden gedient, lässt sich heute kaum nachvollziehen. Massenunterkünfte de Luxe okkupieren nahezu sämtliche paradiesischen Strände. „Sehen Sie“, entgegnet Charter-Pionier Rivière auf entsprechende Kritik, „die Strände sind unser einziges Kapital. Wir sind ein kleines, selbstständiges Land fast ohne jede Industrie und Bodenschätze. Woher sonst sollen Arbeitsplätze kommen? Wir haben gar keine andere Chance.“ Dieses Argument, wir kennen das, erstickt jedes noch so gute.

Immerhin verspricht das nächste Ziel, die Bucht bei Grande Rivière Noire, noch unberührte Natur. Der Wind ist auf seinen Normalwert abgeflaut. 4 bis 5 Beaufort, perfekt. Über Kanal 6 meldet die Basis Schießübungen beim Leuchtturm Pointe aux Caves. Schon vor Erreichen von D7096 jedoch düst die Coast Guard herbei und verlangt, den Bereich weit seewärts zu umfahren. Offizielle Warnungen, via Kanal 16 etwa, bleiben mangels Adressaten aus.

Vor der mit 828 Metern höchsten Erhebung, bizarr geformt wie die anderen Vulkanberge, gräbt sich der Anker in den Sand. Der ist nicht korallenweiß, wie überall sonst, sondern dunkel. Rundum schwoien Angelboote an ihren Murings – Mauritius ist berühmt für seine Großfisch-Gründe. Das, übrigens, gibt’s bei diesem Törn gratis. Ständig wird ein Köder nachgeschleppt, und tatsächlich ging auf einer anderen Terres-Océanes-Yacht heute ein 80-Pfund-Thun an den Haken.

Das ist der unschlagbare Vorteil dieser Art, die Insel zu erleben: Wie Big Game Fishing lässt sich alles, was vom schicksten Hotel aus unternommen werden kann, noch sehr viel besser vom Katamaran aus erledigen. Dieser Törn ist keine Entscheidung fürs Segeln, er ist eine Entscheidung für Mauritius. Für eine Reise, die sich Nichtmitglieder der High Society üblicherweise nur einmal im Leben gönnen. Und die sind auf der Yacht definitiv besser aufgehoben als an Land.

Zum einen sorgt die beflissene Crew, exzellente Köche zudem, auch an Bord für landesüblichen Maximal-Komfort. Der entwöhnte Deutsche wird auf Mauritius ständig erinnert, dass sich Dienstleistung zusammensetzt aus Dienst und Leistung. Schon ungewohnt und den beiden nicht recht beizubiegen, dass Segeln andernorts als Teamwork verstanden wird. Wenn sich jemand selbst ein Brot schmiert, schämen sie sich fast, das Bedürfnis des Anvertrauten nicht rechtzeitig erkannt zu haben.

Des Weiteren kommt ein Yacht-Urlaub mit mehreren Personen oft günstiger als in einem der Edel-Etablissements. Und da die Insel nur halb so groß ist wie Mallorca – bei doppelt so vielen Bewohnern (und einer mehr als zweieinhalbmal größeren Bevölkerungsdichte als in Deutschland) –, lässt sich, mithilfe der rührigen Basis, von einem beliebigen Ankerplatz aus jede Attraktion erreichen und jede Aktion organisieren.

Eine Seekajak-Tour zum Beispiel. Patrick Haberland, Experte für Outdoor-Aktivitäten aller Art, erscheint am nächsten Morgen mit einem Trailer voller Boote am Strand. Auf ein paar Handbreit Wasser paddelt die Crew in psychedelischem Türkis einen wahrhaftig noch naturbelassenen Strand entlang. „Nächstes Jahr“, sagt Haberland, „kommen hier vier Hotels hin.“

Gewöhnlich hält sich in der Rinne zur Baie de la Petite Rivière Noire eine Schule Delfine auf, die dann um die Boote spielen. Heute nicht. Dafür springen auf dem Weg zur noch unbewohnten Ile aux Bénitiers, in Zukunft ebenfalls um ein Rundum-sorglos-Resort bereichert, unzählige Meeräschen um die Besucher herum, im seichten Wasser schlängeln sich Tigermuränen.

Unbewohnt heißt nicht menschenleer. Flach gehende Ausflugsboote bringen ein paar Touristen, und ein Händler tingelt mit einem abenteuerlichen Wassergefährt herum, um wortgewandt farbenprächtige Muscheln und Schneckengehäuse an die Fremden zu bringen. Ein Exemplar mit grotesk wulstigem Mündungsrand bewirbt er mit der treffenden, hier angeblich gängigen Metapher „Der Mund von Mick Jagger“.

Der Weg zurück in den Norden ist mit 25 Meilen der längstmögliche. Bei 8 bis 9 Knoten Fahrt allerdings auch kein großer Akt. An der Küste reihen sich, architektonisch zwar um Integration und Dezenz bemüht, die Herbergszentren der Flieg&Spa-Gemeinde. An Bord errechnet jemand überschlägig eine Dichte von knapp einem Hilton-Radisson-Maritim pro Kilometer.

Grand Baie ist ein untypisch trubeliger Ort, mit zahllosen Discos und Geschäften und Bars und Restaurants. Und so etwas wie die Heimstatt des mauritischen Yachtsports. Einst wurden hier Regatten ins südafrikanische Durban gestartet, und auch die jährliche Wettfahrt um die Insel beginnt und endet hier, am Sitz der Mauritius Yachting Association. Der 90 Mitglieder zählende Segler-Verband wurde 1990 gegründet, dümpelte indes bis zum Jahr 2000 in völliger Bedeutungslosigkeit. Erst die Vorbereitung auf die Jeux des Iles de L’Océan Indien im September 2003 – eine Art Mini-Olympia – hauchte der siechen Vereinigung Leben ein. Mauritius gewann drei von sechs Goldmedaillen im Segeln. Und mit dem übrig gebliebenen Material gründete der Grand Baie Yacht Club vor wenigen Wochen eine öffentliche Segelschule.

Dieser Verein verdient als einziger der vier mauritischen die Bezeichnung Yachtclub, wenngleich der Schwerpunkt seiner Aktivitäten eher im Sozialen liegt. Er verfügt sogar über eine Slipanlage und über einen Steg mit der einzigen Bunkerstation weit und breit. Auf dem Gelände richtet Rainer Hauck gerade seine Holzketsch „Condor“ her. Sie war 2002 im Zyklon „Dina“ gesunken, dem stärksten seit zwanzig Jahren. Der zuvor vom Fiskus quasi zwangsenteignete Auswanderer hat das Wrack zum Schnäppchenpreis erstanden.

Am Morgen schallt von irgendwoher die Stimme eines Muezzin, dazu wabert Musik aus einem Hindu-Tempel über die prall gefüllte Ankerbucht. Das, nebenbei, ist ein weiteres Charakteristikum der Insel: 87 Religionen und Glaubensrichtungen existieren in friedlicher Eintracht. Kirchen, Tempel und Moscheen liegen in unmittelbarer Nachbarschaft, ohne dass es zu Reibereien oder leidigen Kopftuch-Diskussionen käme. Toleranz kennzeichnet diesen Schmelztiegel der Kulturen. Und Freundlichkeit. Im Land des Dauerlächelns tummeln sich – abermals „Die Zeit“ – „so viele Gutmenschen, wie man sie normalerweise nur auf evangelischen Kirchentagen trifft“. Die Kriminalitätsrate liegt entsprechend niedrig, obschon die auffällige Zahl fast allgegenwärtigen Sicherheitspersonals einen anderen Verdacht nährt.

Neun Meilen nördlich erreicht die Reise zum Finale ihren Höhepunkt. Wäre gar kein Problem, in der flachen Lagune zwischen den vorgelagerten Inseln Ilot Gabriel und Ile Plate, der ehemaligen Quarantäne-Station, Wochen zu verbringen. Genau das müssen Mark Twain und die anderen Schwärmer gemeint haben.

Während des Einlaufens durch die extrem schmale und flache Passage im Riff findet am Strand ein Foto-Shooting statt. Vor hinreißender Kulisse. Über den schwarzen Lava-Klippen kreisen weiße Paille-en-queues, Weißschwanz-Tropikvögel, die Nationaltiere. Schwärme neugieriger, schillernd bunter Fische nähern sich Schnorchlern auf Millimeter – Weltklasse. Gilbert und Vincent fangen einige brauchbare Exemplare mit der Hand. Und holen nächtens noch eine anständige Portion Tintenfisch aus dem Meer.

Überhaupt, die Nacht. Ein Privileg, sie hier erleben zu dürfen, exklusiver als das hochnobelste Hotel. Nachdem die Tagescharter-Armada wieder nach Grand Baie abgerauscht ist, kehrt Ruhe ein. Einsamkeit, Natur, Frieden – eine seltene Wohltat. Und in welch exquisitem Szenario: Ungestört vom Fl (4) 30 s bescheint der Mond den weiß-bläulich glimmenden Korallenstrand und leuchtet durch kristallklares Wasser den Meeresgrund aus. Das Schiff liegt ruhig und geschützt, während sich die Wellen eine Kabellänge weiter mit fluoreszierender Gischt donnernd über dem Riff brechen.

Der Blick auf Mauritius, obendrein, mutet aus einmaliger Perspektive majestätisch und erhaben an. Entfernt, ganz hinten an der Kimm, schimmern fahl die Lichter der Küste.